Wimperfledermaus

Wimperfledermaus

Myotis (Chrysopteron) emarginatus (E. Geoffroy, 1806)

Allgemein Bilder (5) Autoren und Quellen

Beschreibung

Die in Mitteleuropa seltene Wimperfledermaus gehört zur Gattung der Mausohrfledermäuse (Myotis) und ist 4–5 cm groß. Ihr wolliges Fell ist am Rücken rötlichbraun, am Bauch gelblichgrau gefärbt (Simon et al. 2019). Weiche Wimperhaare am unteren Rand der Flughaut gaben ihr ihren Namen. Die recht kurzen und breiten Flügel der Wimperfledermaus erlauben einen langsamen und wendigen Flug nahe an der Vegetation. Diese wärmeliebende Art bevorzugt siedlungsnahe, extensiv genutzte und naturnahe Gebiete mit vielfachem Wechsel von Kulturflächen und Wald, Baumreihen, Streuobstwiesen, Sträuchern und Hecken. In Mitteleuropa befinden sich die Wochenstuben v.a. in Dachstühlen und Viehställen. Die Wimperfledermaus sammelt ihre Beutetiere oft vom Laub der Bäume ab. Insbesondere an Regentagen jagt die Art gern in Kuhställen, wo sie an der Decke sitzende Fliegen und Spinnen abpflückt (Steck und Brinkmann, 2015).

Vorkommen in Baden-Württemberg

Wochenstuben kommen in der Oberrheinebene, am Vorbergzonenrand des Schwarzwalds und in den Ausläufern des Südschwarzwaldes vor. Einzelnachweise stammen aus der Nähe von Reutlingen und aus dem Donautal bei Beuron (Steck und Brinkmann 2015). Weitere Nachweise gibt es aus dem Nordschwarzwald und dem Nordwesten Baden-Württembergs (Simon et al. 2019).

Die Wimperfledermaus bewohnt an diesen Orten wärmebegünstigte, strukturreiche, halboffene Landschaften mit vielen Grenzlinien zwischen Offenland, Streuobstwiesen, Gebüschen und Laubmischwald. Geringe Habitatbindung (FVA 2020).

Lebensraum

Die wärmeliebende Wimperfledermaus bewohnt klimatisch begünstigte Gebiete mit enger Verzahnung von Siedlungsraum, Kulturlandschaft, Streuobstwiesen, Gebüschen und Wald, dieser vorzugsweise bestehend aus struktur- und laubholzreichen alten Beständen. In Mitteleuropa befinden sich Wochenstuben überwiegend in alten Dachstühlen, teilweise aber auch in traditionellen Kuhställen. Als Einzelquartiere werden ebenfalls Dachstühle genutzt, aber auch Dachvorsprünge und Baumquartiere sowie vermutlich Höhlen. Als Winterquartiere dienen den Wimperfledermäusen des Rheintals verschiedene Höhlen und Stollen im Schwarzwald (Steck und Brinkmann 2015).

Nahrungshabitat

  • Nahrungsquelle sind v.a. Fliegen – auch in Viehställen – und Spinnen, die von Sträuchern abgesammelt werden.
  • Jagt vegetationsnah in (lichten) Wäldern, Obstwiesen, Parklandschaften sowie an Lich-tungen, Waldinnen- und Außensäumen und gewässerbegleitenden Gehölzen.
  • Gerne bei entsprechendem Nahrungsangebot auch in Kuhställen (FVA 2020).

Quartiernutzung

  • Sommer- und Wochenstubenquartiere sind v.a. in Dachstühlen von Gebäuden (oder auch in Ställen).
  • Bäume (z.B. Rindenspalten) werden gelegent-lich als Einzel-und Zwischenquartiere genutzt.
  • Winterquartiere in Höhlen, Stollen, Kellern (FVA 2020).

Lebensweise

  • Großteil der Jagdgebiete befindet sich in einem Umkreis von 8 km um die Wochenstuben (Steck und Brinkmann 2015).
  • Quartiertreu, dabei z. T. Nutzung eines Quartierverbunds (FVA 2020).
  • Nutzt gehölzreiche lineare Strukturen für Orientierung und Flug zwischen Quartieren und Jagdgebieten, Querung von Straßen und Offenland wird vermieden (Steck und Brinkmann 2015).
  • Jagdgebiete zumeist in ca. 4 km Entfernung der Quartiere (FVA 2020).
  • Ortstreue Art mit nur kurzen Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartieren.
  • Häufig Jagd in laubwaldreichen Gebieten nach Spinnen, Weberknechten und Insekten.
  • Weibchen aus Wochenstuben bevorzugen Fliegen aus Kuhställen, besonders bei Regenwetter.
  • Nahrungssuche auch auf Streuobstwiesen sowie an Hecken, Baumreihen, Gebüschen, in Parks, an Waldrändern und an gehölzreichen Gewässern.
  • Sammelt Beute von Blättern, Wänden und Decken ab (Steck und Brinkmann 2015).

  • In Deutschland Wochenstubenzeit von Anfang/Mitte Mai bis Mitte August, mit 2 bis >300 Weibchen pro Wochenstube (Braun und Dieterlen 2003, Simon et al. 2019).

  • Paarung im Spätsommer, evtl. bis Herbst (Simon et al. 2003).
  • Sehr langer Winterschlaf von Oktober bis April/Mai in an relativ warmen und feuchten Hangplätzen in Höhlen und Stollen (Braun und Dieterlen 2003).

Empfohlene Schutz- und Fördermaßnahmen

Von welchen Forstbetriebsarbeiten profitiert die Art?

  • Waldrandpflege zugunsten stufiger und buchtiger Waldränder (wichtig ist Strauchvegetation und viel Randlinie).
  • Erhaltung von Habitatbäumen und Altholz zum Beispiel durch Umsetzung des Alt- und Totholz-Konzepts; hier ist besonders der Eichenanteil von Bedeutung (Kronenstrukturen).
  • Lichtbaumarten fördern insbesondere die Eiche (FVA 2020).
  • Umbau von nadelholzreichen Altersklassenbeständen in strukturreiche Laubwälder (Steck und Brinkmann 2015).

Spezielle Pflegemaßnahmen (unter Beachtung des jeweiligen Managementplans)

  • Wiederaufnahme von Mittelwaldbewirtschaftung (hohe Strukturvielfalt im Kronenbereich) (FVA 2020).

Welche Forstbetriebsarbeiten können erhebliche Beeinträchtigungen darstellen?

  • Förderung von Schattbaumarten und dadurch Verlust lichter Strukturen und stufig aufgebauter Saumbereiche.
  • Aufforstung freier Flächen im Wald (Lichtungen, Waldwiesen, Schadflächen etc.).
  • Umbau von Laub- und Mischwäldern in Nadelbaumbestände (FVA 2020).

Landesweite Erhaltungsziele mit Waldbezug

  • „Erhaltung von strukturreichen, lichten Laub- und Laubmischwäldern mit Waldinnen- und -außenrändern.
  • Erhaltung von vielfältigen, reich strukturierten Kulturlandschaften mit Bäumen, Hecken, Feldgehölzen, gewässerbegleitenden Gehölzbeständen, Weiden, Streuobst-)Wiesen, Äckern.
  • Erhaltung von geeigneten, störungsfreien oder störungsarmen Höhlen und unterirdischen Bauwerken wie Stollen und Keller, als Winter und Schwärmquartiere, auch im Hinblick auf die Einflugsituation.
  • Erhaltung einer ausreichend hohen Anzahl von Baumquartieren als Sommer- und Zwischenquartiere.
  • Erhaltung eines ausreichenden und dauerhaft verfügbaren Nahrungsangebots, insbesondere Insekten und Spinnen im Wald und in den Streuobstwiesen.
  • Erhaltung des räumlichen Verbunds von Quartieren und Jagdhabitaten ohne Gefahrenquellen sowie von funktionsfähigen Flugrouten entlang von Leitlinien.“ (FVA 2020)

Resümee

Lichtwaldart. Große Teile der Aktionsräume der Wimperfledermaus liegen außerhalb des Waldes. Im Wald ist es förderlich, für lichte und stufige Strukturen und Randlinien zu sorgen. (Lichte) Waldformen mit hoher Strukturvielfalt im Kronenraum wie Eichen(mittel-)wälder haben hier eine hohe Bedeutung. Innerhalb von FFH-Gebieten ist der jeweilige Managementplan zu beachten (FVA 2020).

Weitere Informationen

  • Im Portrait - die Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie: https://pudi.lubw.de/publikationen
  • BfN Anhang-IV-Arten: Wimperfledermaus (Myotis emarginatus): https://www.bfn.de/artenportraits/myotis-emarginatus
  • Dietz, M. (2010): Fledermäuse als Leit- und Zielarten für Naturwald orientierte Waldbaukonzepte.
  • Steck, C & R. Brinkmann (2015): Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten in Baden-Württemberg. 200 S. Verlag Haupt: Bern.
Verbreitung
Keine vollständige Verbreitung aufgrund lückenhafter Datenbasis
Systematik
Stamm
Chordata
Familie
Vespertilionidae
Gattung
Myotis
Art
Myotis (Chrysopteron) emarginatus (E. Geoffroy, 1806)
Artengruppe
Säugetiere
Typ
Natura 2000
Lebensraum
  • Waldtypen
    • Auwälder / Bruchwälder
    • Buchenmischwälder
    • Eichenmischwälder
    • Trockenwälder
  • Habitatstrukturen
    • Höhlen / Stollen / Bunker
    • Lichte Waldstrukturen (inkl. besonnte Waldränder)
Schutzstatus
  • Priorität:
    niedrig
  • Rote Liste BW:
    Extrem selten (R)
  • Rote Liste DE:
    Stark gefährdet (2)
  • Verantwortungsart BW:
    ja
  • Natura 2000 / Vogelschutzrichtlinie:
    • Anhang II
    • Anhang IV

Autoren

  • Liegl, Gerhild

Bildautoren

  • Ballenthien, Elena

Quellen

Braun, M. & Dieterlen, F. 2003
Die Säugetiere Baden-Württembergs: Allgemeiner Teil, Fledermäuse (Chiroptera).
FVA (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg) 2020
Praxishilfe Wimperfledermaus.
Simon, M., Köstermeyer, H., Gießelmann, K., Smit-Viergutz, J., & Brand, S. 2019
BfN Internethandbuch Säugetiere Fledermäuse: Wimperfledermaus (Myotis emarginatus). Abgerufen am 18.01.2021.
Steck, C. & Brinkmann, R. 2015
Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten..
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