Mopsfledermaus
Beschreibung
Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) ist die einzige ihrer Gattung in Europa. Als Quartiere werden Spalten an Gebäuden, hinter abstehender Baumrinde und in Stammrissen bezogen. Alt- und totholzreiche Wälder sind für diesen Spaltenbewohner von überragender Bedeutung (Steck und Brinkmann 2015).
Erkennungsmerkmale
Die mopsartig gedrungene Schnauze, von welcher ihr Name herrührt, sowie die an der Basis zusammengewachsenen nach vorne gerichteten Ohren machen diese seltene Fledermaus unverwechselbar. Fell, Flügel und Gesicht sind dunkelbraun bis schwarz gefärbt (Braun und Dieterlen 2003).
Vorkommen in Baden-Württemberg
Wochenstuben der Mopsfledermaus befinden sich im Neckar-Odenwald-Kreis, im Ostalb- und im Zollernalbkreis, im Wutachgebiet und um Tübingen. Männchen- und Winternachweise wurden verstreut gefunden. Neuere Nachweise lassen auf eine Ausbreitung der Art schließen. Die Mopsfledermäuse Baden-Württembergs werden meist in Höhenlagen zwischen 400 und 600 m angetroffen. Historische Nachweise gibt es auch aus den Tieflagen im Oberrheintal und am Bodensee (Steck und Brinkmann 2015).
Sie bewohnt strukturreiche Laub- und Mischwälder in waldreichen Gebieten mit Fließgewässern und Saumstrukturen (FVA 2020).
Lebensraum
Jagdlebensraum
- Nahrung: nachtaktive Fluginsekten, insbesondere Nachtfalter.
- Lichte Laubwälder und Waldlebensräume mit hohem Insektenaufkommen, also vor allem alle Innen- und Außensäume entlang von Wegen und Gewässern sowie Lichtungen.
- Baumreihen, Hecken und Gewässer in Waldnähe (FVA 2020).
Quartiernutzung
- Sommerquartiere und Wochenstuben: Unter Rindenspalten an absterbenden oder toten Bäumen geschlossener Bestände. Außerdem in Stammrissen und -spalten (auch an Gebäuden).
- Winterquartiere: Höhlen, Stollen, Tunnel, Keller oder Felsspalten, gelegentlich auch Baumspalten (FVA 2020).
Die Mopsfledermaus bewohnt großflächige Wälder verschiedener extensiv bewirtschafteter oder unbewirtschafteter Waldtypen mit einem vielschichtigen Bestandsaufbau und mit einem hohen Anteil an Altholz und stehendem Totholz. Sommerquartiere befinden sich meist in waldnah gelegenen Gebäudespalten (vor allem hinter Fensterläden und Holzverkleidungen), in flachen Fledermauskästen, in Stammrissen und hinter abstehender Rinde verschiedener Baumarten (Steck und Brinkmann 2015, Dietz und Kiefer 2014, Meschede und Heller 2000). Tote Bäume im beginnenden Zersetzungstadium weisen besonders häufig die quartiertauglichen Rindenschuppen auf. Wegen der Kurzlebigkeit des Quartiertyps "Rindenschuppe" und wegen ihres häufigen Quartierwechsels ist die Mopsfledermaus vermutlich auf eine hohes Angebot an sterbenden und toten Bäumen sowie auf potentielle Nachfolgebäume angewiesen (Peerenboom 2009). Rindenschuppen dienen dieser kältetoleranten Fledermausart auch zum Überwintern.
Die Jagdlebensräume der Mopsfledermaus befinden sich weit überwiegend im und am Wald (lichte Bestände, Hallenwälder, Waldränder, Waldwege, Bachtäler, über den Kronen geschlossener Bestände). Seltener werden waldnahe Feldgehölze, Hecken, Obstwiesen etc. zum Beutefang aufgesucht (Steck und Brinkmann 2015).
Lebensweise
- Ortstreue Art, Wochenstubenkolonien nutzen einen Quartierverbund mit fast täglichem Wechsel der Quartiere (hoher Quartierbedarf!). Abstände < 2 km.
- Sommerliche Aktionsräume in bis zu 4 bis 5 km Entfernung zu den Wochenstuben; Orientierung an Leitlinien (z.B. Hecken) beim Flug in die Jagdgebiete.
- Wochenstubenzeit von Mai bis August. Paarungszeit ab August (FVA 2020).
- Wochenstuben mit 10 bis 20 Weibchen je Baumquartier, Gebäudequartiere mit bis zu 100 Weibchen (Dietz und Kiefer 2014).
- Winterquartiere werden von November bis März genutzt und sind bis zu 40 km von den Sommerlebensräumen entfernt (Steck und Brinkmann 2015).
- Wendige Jagdflüge, schnelle Transferflüge (Steck und Brinkmann 2015).
- Bei Beutefang spezialisiert auf Nachtfalter mit Schallsinnesorganen: Ortet ihre Beute sehr leise, Falter nehmen den Fressfeind erst spät wahr (Goerlitz et al. 2010).
- Populationsbegrenzend sind das Quartierangebot sowie die Nahrungsverfügbarkeit (Simon et al. 2019).
Empfohlene Schutz- und Fördermaßnahmen
Von welchen Forstbetriebsarbeiten profitiert die Art?
- Erhalt von Altholz, Habitatbäumen und stehendem Totholz mit abstehender Rinde, Rissen oder Spalten z.B. über das Alt- und Totholz-Konzept von ForstBW mit Integration von Quartierzentren in Waldrefugien.
- Ausweisung von Prozessschutzgebieten.
- Förderung von Lichtbaumarten (v.a. Stiel- und Trauben-Eiche, Weichhölzer (fördern Nachtfalter als Beutetiere)).
- Entnahme von Baumarten mit verminderter Insektenfauna, z.B. alle Fremdländer (Douglasie).
- Temporäre Erhaltung lichter und offener Waldstrukturen (kleine Lichtungen, Schneisen, Blößen) im Zuge der Waldverjüngung.
- Waldrandpflege, die tiefe, gestufte Waldränder erhält bzw. herstellt (FVA 2020).
Spezielle Pflegemaßnahmen (unter Beachtung des jeweiligen Managementplans)
- Dauerhaftes oder zeitweiliges Offenhalten von lichten Strukturen und stufig aufgebauten Saumbereichen – auch entlang Gewässern-, die über eine Waldrandpflege hinausgeht.
- Entwicklung von Rindenquartieren z. B. durch Ringeln.
- Ausweisung von Prozessschutzflächen.
- Schaffung von Gewässern im Wald (FVA 2020).
Welche Forstbetriebsarbeiten können erhebliche Beeinträchtigungen darstellen?
- Entnahme von kümmernden absterbenden Bäumen mit Spaltenquartieren im Zuge der Vorratspflege.
- Anbau von standortsfremder Bestockung (z.B. Fichte) entlang von Gewässern.
- Umbau von strukturreichen Laub- und Mischwäldern in strukturarme Nadelbaumbestände.
- Holzernte in der Nähe von Quartierbäumen während der Wochenstubenzeit (FVA 2020).
Landesweite Erhaltungsziele mit Waldbezug
- Erhaltung von strukturreichen Laub- und Laubmischwäldern mit Waldinnen- und -außenrändern, gewässerbegleitenden Gehölzbeständen und großflächigen Streuobstwiesen.
- Erhaltung einer nachhaltigen Ausstattung der Lebensräume mit geeigneten Habitatbäumen, insbesondere mit Spalten hinter abstehender Borke und Höhlen als Wochenstuben-, Sommer-, Zwischen- und Winterquartiere einschließlich einer hohen Anzahl an Wechselquartieren für Wochenstubenverbände, auch im Hinblick auf die Einflugsituation.
- Erhaltung von geeigneten, störungsfreien oder störungsarmen Höhlen, Stollen, Kellern, Tunneln, Gebäuden und anderen Bauwerken als Winter- oder Schwärmquartiere, auch im Hinblick auf die Einflugsituation.
- Erhaltung von für die Mopsfledermaus zugänglichen Spaltenquartieren in und an Gebäuden, insbesondere Fensterläden oder Verkleidungen, als Wochenstuben-, Sommer- und Zwischenquartiere.
- Erhaltung von geeigneten klimatischen Bedingungen in den Quartieren, insbesondere eine hohe Luftfeuchtigkeit und eine günstige Temperatur in den Winterquartieren.
- Erhaltung eines ausreichenden und dauerhaft verfügbaren Nahrungsangebots, insbesondere von flugaktiven Insekten im Wald und in den Streuobstwiesen.
- Erhaltung des räumlichen Verbunds von Quartieren und Jagdhabitaten ohne Gefahrenquellen sowie von funktionsfähigen Flugrouten entlang von Leitlinien (FVA 2020).
Resümee
Klimaxart. Soweit in reich strukturierten Laubwaldgebieten (Alt-) Bestände mit vielen (>100!) Spaltenquartieren (z.B. in Waldrefugien) vorkommen, sind wesentliche Voraussetzungen für die Erhaltung der Mopsfledermaus im Wald geschaffen. Darüber hinaus ist der Anteil an insektenreichen Saumstrukturen (Waldinnen- und –außenränder) sowie Lichtungen als Jagdlebensräume für die Habitatqualität relevant. Innerhalb von FFH-Gebieten ist der jeweilige Managementplan zu beachten (FVA 2020).
Weitere Informationen
- Im Portrait - die Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie: https://pudi.lubw.de/publikationen
- Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen - Planungsrelevante Arten - Artengruppen - Säugetiere: https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/saeugetiere/kurzbeschreibung/6522
- BfN Anhang-IV-Arten: Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus): https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/saeugetiere/kurzbeschreibung/6522
- Steck, C & R. Brinkmann (2015): Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten in Baden-Württemberg. 200 S. Verlag Haupt: Bern.
- Braun, Monika, ed. (2003) Die Säugetiere Baden-Württembergs. 1. Allgemeiner Teil, Fledermäuse (Chiroptera). Ulmer.
- Meschede, A., Heller, K. G., & Leitl, R. (2000): Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern. Bundesamt für Naturschutz.
- Stamm
- Chordata
- Familie
- Vespertilionidae
- Gattung
- Barbastella
- Art
- Barbastella barbastellus
-
Wuchsgebiete
- Neckarland
- Odenwald
- Schwäbische Alb
-
Waldtypen
- Auwälder / Bruchwälder
- Moorwälder
- Nadelwälder
- Trockenwälder
-
Habitatstrukturen
- Alte Bäume / Habitatbäume (lebend)
- Höhlen / Stollen / Bunker
- Totholz
- AuT-Konzept
- Bannwaldprogramm
- Bestand
- Priorität:
hoch - Rote Liste BW:
Vom Aussterben bedroht (1) - Rote Liste DE:
Stark gefährdet (2) -
Bundesnaturschutzgesetz:
4 - Natura 2000 / Vogelschutzrichtlinie:
- Anhang II
- Anhang IV
Autoren
- Liegl, Gerhild
Bildautoren
- Ballenthien, Elena
- Jonker, Marlotte
Quellen
- Die Säugetiere Baden-Württembergs: Allgemeiner Teil, Fledermäuse (Chiroptera).
- Die Fledermäuse Europas: kennen, bestimmen, schützen.
- Praxishilfe Mopsfledermaus Entwurf.
- An Aerial-Hawking Bat uses Stealth Echolocation to counter Moth Hearing. Current Biology 1568-1572. Abgerufen am 28.01.2021.
- Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern: unter besonderer Berücksichtigung wandernder Arten: Teil I des Abschlussberichtes zum Forschungs-und Entwicklungsvorhaben" Untersuchungen und Empfehlungen zur Erhaltung der Fledermäuse in Wäldern".
- Quartierbaumwahl der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) im Alb-Wutachgebiet.
- Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten..