Haselhuhn
Haselhuhn
Tetrastes bonasia
Beschreibung
Dieser Hühnervogel ist eher klein. Der Körper ist rundlich mit einem kleinen Schnabel und Kopf (Svensson 2009).
Vorkommen in Baden-Württemberg
Ein Brutnachweis fehlt ca. seit 20 Jahren in Baden-Württemberg. In naher Zukunft könnte das Haselhuhn in der Roten Liste Baden-Württembegr unter der Kategorie 0 (ausgestorben) gelistet werden (Bauer et al. 2016). Die Verbreitungssituation in BW ist unklar. 2005 gab es im Schwarzwald den letzten gesicherten Nachweis. An der Adelegg bestehen noch angrenzende bayrische Vorkommen (FVA 2020).
(Sekundär-) Lebensräume sind ausreichend große, artenreiche, dichte, saumreiche (dichte) Pionier- oder Niederwälder im kleinflächigen Wechsel mit lichten bis offenen Partien in süd- bis südwestexponierten Lagen (FVA 2020).
Lebensraum
Das Haselhuhn ist in die jungen Stadien der Waldsukzession eingenischt, wofür folgende Faktoren antwortlich sind:
- Nahrungsökologie: die wichtigsten Nahrungspflanzen wie z.B. Weichlaubhölzer, Beersträucher, Kräuter und Gräser, treten in höchster Dichte im Pionierwald auf
- Geringe Körpergröße: sie ermöglicht die Fortbewegung in dichter Vegetation sowie das Klettern auf dünnen Zweigen, bedingt aber auch einen starken Feinddruck und damit das hohe Deckungsbedürfnis. Diesem kommt der dichte Jungwald wiederum entgegen.
Die Habitate von Haselhühnern sind meistens Fichtenbestände mit Weichholz und Beeren, Sukzessionsflächen oder Eschen-Ahorn-Buchen-Stangenhölzer (Hölzinger & Boschert, 2001).
Habitatstrukturen im Wald
- Das Haselhuhn ernährt sich von Hasel-, Birken- und Erlenkätzchen im Winter, austreibenden Knospen im Frühjahr sowie Samen, Beeren und Früchten im Sommer und Herbst. Jungvögel benötigen Bodeninsekten.
- Artenreiche Dickungen mit kätzchentragenden Laubbäumen (v.a. Erle, Birke, Hasel).
- Hoher Anteil an Waldinnenrändern mit kraut- und grasreichen Säumen und kleineren Blößen.
- Bäche mit laubbaumbetonter Begleitvegetation und Quellnischen mit vielfaltiger Randvegetation.
- Beerstrauchreiche Gebüsche.
- Strukturierte (z.B. Totholz, Wurzelteller, Steine) offene Bereiche als Balzplätze.
- Deckungsschutz und Schlafplätze bietende tiefbeastete Fichten(-gruppen) bis 20 cm Brusthöhendurchmesser.
- Einseitig besonnte, sandige Flächen und Bodenaufschlüsse (für Huderpfannen), häufig entlang von Waldwegen (FVA 2020).
Lebensweise
- Ortstreuer Standvogel.
- Reviergröße 20-40 ha.
- Sehr scheu und heimlich.
- Die Fortpflanzungszeit ist von Mitte März bis Ende Juli (FVA 2020).
- Die Paarbildung erfolgt bereits zur Zeit der Herbstbalz von September bis November.
- Haselhühner sind ausgesprochene Standvögel und monogam.
- Das Nest besteht aus einer flachen Mulde im Erdboden.
- Haselhühner sind in erste Linie Vegetarier und besitzen wie andere Raufußhühner anatomische Anpassungen an die Aufnahme und Verwertung schwer verdaulicher Pflanzennahrung.
- Die wichtigsten Nahrungskomponenten sind: Im Winter Knospen und Kätzchen von Weichlaubhölzern, im Frühjahr austreibende Laubbaumknospen, im Sommer grüne Teile aus der Bodenvegetation, im Herbst Beeren (Hölzinger & Boschert, 2001).
Empfohlene Schutz- und Fördermaßnahmen
- Förderung von Weichhölzern.
- Schaffung von Wäldern mit mindestens 25% Weichholzanteil (z.B. auf Sturmwurfflächen).
- Aufforstung vermeiden.
- Sturmwurfflächen nicht räumen.
- Umsetzung des Alt- und Totholzkonzeptes.
- Ausweisung von Schonwäldern.
- Niederwaldnutzung.
- Förderung von natürlicher, strukturreicher Sukzession.
- Evtl. Wiederansiedlungsprojekte mit Wildvögeln aus ähnlichen Gebieten (Bauer et al. 2016).
Von welchen Forstbetriebsarbeiten profitiert die Art?
- Kleinkahlschläge von bis zu 0,5 ha Größe.
- (Aktive) Erhaltung von lichten und jungen Sukzessionsstadien auf Sturmwurfflächen und nach Räumungen.
- Strukturfördernde Mischwuchsregulierung mit offenen und dichten Partien.
- Belassen einzelner Fichten (und Tannen) alle 10 bis 15 m über die Fläche verteilt im Zuge der Jungwuchspflege.
- Förderung von Pionierbäumen (Birke, Vogelbeere, Weide, Erle, Esche, Kirsche etc.), aber auch einzelner tiefbeasteter Fichten(-gruppen) bei der Jungbestandspflege.
- Intensive Bejagung von Bodenprädatoren (Wildschwein, Fuchs, Dachs) (FVA 2020).
Spezielle Pflegemaßnahmen (unter Beachtung des jeweiligen Managementplans)
- Wiederaufnahme von kleinparzellierter Niederwaldbewirtschaftung.
- Intensive Durchforstung mit trupp-/gruppenweiser Entnahme (Lücken > 20 m Durchmesser) in nadelholzdominierten Stangenhölzern.
- Partielles sukzessives Auf-den-Stock-Setzen und damit Förderung niederwaldartiger Strukturen.
- Intensive Waldrandpflege zur Erhaltung artenreicher, gestufter Waldinnen- und Außensäume.
- Aktiver Erhalt kleinerer Blößen und offener Waldsäume (FVA 2020).
Welche Forstbetriebsarbeiten können erhebliche Beeinträchtigungen darstellen?
- Umbau in homogene, dichte Nadelbaumbestände.
- Forstliche Arbeiten während der Brut- und Aufzuchtszeit.
- Entnahme von Pionierbaumarten.
- Aufforstung von lichten Waldflächen (Lichtungen, Blößen, Lücken).
- Zaunbau.
- Anlage neuer Feinerschließungsnetze in den Lebensstätten.
- Zerstörung von Ameisennestern beim Rücken und Holzlagern (FVA 2020).
Landesweite Erhaltungsziele mit Waldbezug
- „Erhaltung von strukturreichen mehrschichtigen Wäldern, die junge Stadien der Waldsukzession mit Weich- oder Pionierlaubhölzern aufweisen.
- Erhaltung von Niederwaldsukzession.
- Erhaltung von bach- und wegbegleitenden Laubbaumbeständen als wichtiges Element von Biotopverbundachsen.
- Erhaltung von krautreichen Wegrandstrukturen.
- Erhaltung von Bestandeslücken mit Bodenvegetation.
- Erhaltung von einzelnen tief beasteten Nadelhölzern und kleineren Nadelholzdickungen.
- Erhaltung von Bodenaufschlüssen zur Aufnahme von Magensteinchen und zum Staubbaden.
- Erhaltung der Lebensräume ohne Gefahrenquellen wie Drahtzäune und Windkraftanlagen.
- Erhaltung der genetischen Ausstattung der angestammten Population, die an die hiesigen Lebensbedingungen angepasst ist.
- Erhaltung des Nahrungsangebots, insbesondere mit Blütenkätzchen, Laubbaumknospen, Kräutern, Gräsern und Beeren für Altvögel sowie Insekten für Jungvögel.
- Erhaltung störungsfreier oder zumindest störungsarmer Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie Nahrungshabitate während der Zeiten besonderer Empfindlichkeit (15.03. - 15.07.) und störungsfreier oder zumindest störungsarmer Rückzugsräume im Winter.“ (VSG-VO v. 05.02.2010; Anlage 1)
Resümee
Lichtwaldart. Das Haselhuhn ist an sehr spezielle Waldstrukturen gebunden, wie sie bei unseren naturräumlichen Verhältnissen nur durch eine intensive Pflege erreicht bzw. erhalten werden können. Pflegemaßnahmen für das Haselhuhn machen allerdings nur dort Sinn, wo eine Population vorhanden ist. Dort allerdings sind sie – genauso wie die jagdlichen Maßnahmen – konsequent und auf ausreichend großer Fläche umzusetzen (Beratung durch die FVA wird empfohlen). Innerhalb von Vogelschutzgebieten ist der jeweilige Managementplan zu beachten (FVA 2020).
Weitere Informationen
- Informationen zur Art: Im Portrait - die Arten der EU-Vogelschutzrichtlinie
- Zu Maßnahmen im Wald: Handlungsempfehlungen für Vogelschutzgebiete
- Artenhilfskonzept für das Haselhuhn in Hessen
- Stamm
- Chordata
- Familie
- Phasianidae
- Gattung
- Tetrastes
- Art
- Tetrastes bonasia
-
Habitatstruktur
- Pionierbaumarten
- AuT-Konzept
- GKWNS-Lichtwaldkonzept
- Priorität:
hoch - Rote Liste BW:
Ausgestorben oder verschollen (0) - Rote Liste DE:
Stark gefährdet (2) -
Bundesnaturschutzgesetz:
2
Autoren
- Georgi, Maria
- Sidonio-Rosas, Georgette
- FVA (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg)
Bildautoren
- Naumann, Johann Friedrich
Quellen
- Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvogelarten Baden-Württembergs. Naturschutz-Praxis Artenschutz 11 .
- Praxishilfe Haselhuhn Entwurf.
- Die Vögel Baden-Württembergs Nicht-Singvögel 2 Band 2.2.
- Der Kosmos Vogelführer.