Großer Abendsegler

Großer Abendsegler

Nyctalus noctula (Schreber, 1774)

Beschreibung

Der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) ist eine vorrangig in Wäldern lebende Fledermausart aus der Familie der Glattnasen (Vespertilionidae). Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 65-89 mm gehört er zu unseren größten Fledermäusen. Das einfarbig braune bis rotbraune Fell ist kurz, glatt und glänzend. Die breiten runden Ohren sowie das Gesicht und die Flughäute sind schwärzlich gefärbt. Mit seinen langen schmalen Flügeln legt der Große Abendsegler beim Wechsel zwischen Sommer- und Winterlebensraum lange Flugstrecken zurück. Diese eigentlich nachtaktive Art kann manchmal auch tagsüber fliegend beobachtet werden. Als Quartiere werden bevorzugt Baumhöhlen bezogen. Die im niederen Ultraschall- Frequenzbereich rufenden Abendsegler können vor allem zur Balzzeit von (jüngeren) Menschen mit gutem Gehör ohne technische Hilfsmittel wahrgenommen werden (Braun und Dieterlen 2003).

Erkennungsmerkmale

Von der vergleichbar großen und ähnlich gefärbten Breitflügelfledermaus lässt sich der Abendsegler anhand seines pilzförmigen Ohrdeckels (Tragus) unterscheiden. Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Kleinen Abendsegler ist das gleichmäßig durchgefärbte Körperhaar. Beim Kleinen Abendsegler ist die Haarbasis dunkler gefärbt als der obere Abschnitt.

Vorkommen in Baden-Württemberg

Als wandernde Art wird der große Abendsegler in Baden-Württemberg am häufigsten während der Zugzeiten im Frühjahr und im Herbst erfasst. Beobachtungen stammen überwiegend aus der Oberrheinischen Tiefebene sowie den anderen großen Flusstälern Baden-Württembergs und vom Bodensee, welche als Wanderkorridore dienen. Einzelne Tiere können auf ihren Wanderungen prinzipiell aber verschiedenste Landschaften überfliegen (Braun und Dieterlen 2003). Da die Sommerlebensräume der Weibchen sich weiter nördlich befinden, fehlen Wochenstuben in Baden-Württemberg. Hier gibt es neben den Paarungs- und Zwischenquartieren der Durchzügler noch Winterquartiere des Abendseglers (Meschede und Heller 2003).

Lebensraum

Fledermausart offener Wälder der tiefen Lagen mit ausreichendem Angebot an alten Bäumen (Höhlenverfügbarkeit) und in Nähe großer Gewässer (Insektenverfügbarkeit). Bevorzugt werden Auwälder, Laub- und Laubmischwälder. Wälder mit relevantem Nadelholzanteil kommen lediglich als Teillebensraum in Betracht. Weiterhin werden Waldrandbereiche in vielfältigen Wald- Wiesenlandschaften und zunehmend Siedlungsräume mit ausreichendem Baumbestand und Insektenvorkommen genutzt (Braun und Dieterlen 2004, Meschede und Heller 2000, Dietz und Kiefer 2014).

Lebensweise

  • Quartiere fast immer in großen Spechthöhlen; möglich auch in Fäulnishöhlen, Stammrissen, Fledermauskästen, Gebäude- und Brückenspalten; wichtig ist ein ausreichend großer Freiraum vor der Einflugöffnung, da der Große Abendsegler nicht auf engem Raum manövrierfähig ist.
  • Quartierwechsel alle 2 bis 3 Tage (Braun und Dieterlen 2003, Meschede und Heller 2000).
  • Quartiergrößen: Durchschnittlich 20 bis 60 Tiere je Wochenstube; Männchenkolonien mit bis zu 20 Tieren; Winterquartiere an Bäumen mit meist 100 bis 200 Tieren, mehrere hundert sind auch möglich; Winterquartiere an Gebäuden mit z.T. mehr als 500 Abendseglern (Dietz und Kiefer 2014).
  • Überwintert von Oktober/ November bis Ende Februar/ März.
  • Wegzug aus den Wintergebieten in Richtung Nordosten Ende März bis Ende Mai, Zugzeit 2 bis 4 Wochen, Ankunft der Weibchen in den Wochenstubengebieten Anfang Mai bis Anfang Juni, dort Geburt und Aufzucht von 1 bis 2 Jungen je Muttertier.
  • Wegzug aus den Wochenstubengebieten ab Mitte Juli zurück in Richtung Südwesten, Jungtiere ziehen zuerst lost, ältere folgen; Zugzeit 6-8 Wochen, Ankunft in Winterlebensräumen Mitte August bis Anfang September; unterwegs treffen Weibchen zur Paarung auf Männchen in deren Quartieren, Paarung auch in Winterquartieren.
  • Weibchen ziehen weiter als Männchen. In einigen Gegenden Europas ziehen Große Abendsegler nur über kurze Strecken oder sind sesshaft; daraus ergibt sich ein weit streuendes Spektrum an Zugdistanzen, die pro Nacht bzw. insgesamt zurückgelegt werden.
  • Ortstreue Art: kehrt meist zu denselben Winter- und Sommerquartieren zurück, auch Treue zu Wanderrouten und Durchzugsquartieren (Meschede et al. 2017, Braun und Dieterlen 2003).
  • Schneller und geradliniger Flug im freien Luftraum, u.a. über Baumkronenbereich.
  • Beutejagd und Nahrungsaufnahme im Flug über insektenreichen, hindernisfreien Flächen in 10 bis 40 m Höhe über großen Stillgewässern, entlang von Ufergebüschen und Waldrändern über Wiesen oder im Siedlungsbereich; Jagdflüge in mehreren hundert Metern Höhe sind ebenfalls belegt.
  • Ernährt sich überwiegend von gehörlosen flugfähigen Insekten ab ca. 9 mm Flügelspannweite (kann kleinere Beute nicht orten): Zweiflügler wie Mücken, Zuckmücken und Schnaken sowie Nachtfalter, Köcher- und Eintagsfliegen und bei Massenauftreten Käfer (Braun und Dieterlen 2003, Meschede und Heller 2000).

Empfohlene Schutz- und Fördermaßnahmen

  • Schutz von Bäumen mit geeigneten Quartierstrukturen (Baumhöhlen, insbesondere Spechthöhlen) mit geringer Besonnung im Verbund (Abstand ≤1,3km).
  • Ausweisung von Prozessschutzgebieten in geeigneten Lebensräumen.

  • Konzentration von Quartieren auf kleinem Raum sind für Sozial- und Balzverhalten (Arenabalz) notwendig. Deshalb sollten alte Waldbestände von 1 ha Größe mit je 25 bis 30 Höhlenbäumen, bevorzugt Spechthöhlen, an Waldinnen- und Außenrändern (für freien Anflug) gefördert werden (Meschede und Heller 2000, Braun und Dieterlen 2003).

Verbreitung
Keine vollständige Verbreitung aufgrund lückenhafter Datenbasis
Systematik
Stamm
Chordata
Familie
Vespertilionidae
Gattung
Nyctalus
Art
Nyctalus noctula (Schreber, 1774)
Artengruppe
Säugetiere
Typ
Waldzielart
Lebensraum
  • Wuchsgebiete
    • Baar-Wutach
    • Neckarland
    • Oberrheinisches Tiefland
    • Odenwald
    • Schwäbische Alb
    • Schwarzwald
    • Südwestdeutsches Alpenvorland
  • Waldtypen
    • Auwälder / Bruchwälder
    • Trockenwälder
  • Habitatstrukturen
    • Alte Bäume / Habitatbäume (lebend)
    • Totholz
Fachkonzept
  • AuT-Konzept
  • Gewässerschutz
Schutzstatus
  • Priorität:
    niedrig
  • Rote Liste BW:
    (i) gefährdete wandernde Tierart
  • Rote Liste DE:
    Vorwarnliste (V)
  • Natura 2000 / Vogelschutzrichtlinie:
    • Anhang IV

Bildautoren

  • Schmidt, Eduard Oscar

Quellen

Braun, M. & Dieterlen, F. 2003
Die Säugetiere Baden-Württembergs: Allgemeiner Teil, Fledermäuse (Chiroptera).
Dietz, C. & Kiefer, A. 2014
Die Fledermäuse Europas: kennen, bestimmen, schützen.
Meschede, A., Heller, K., & Leitl, R. 2000
Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern: unter besonderer Berücksichtigung wandernder Arten: Teil I des Abschlussberichtes zum Forschungs-und Entwicklungsvorhaben" Untersuchungen und Empfehlungen zur Erhaltung der Fledermäuse in Wäldern".
Meschede, A., Schorcht, W., Karst, I., Biedermann, M., Fuchs, D., & Bontadina, F. 2017
Wanderrouten der Fledermäuse. Abschlussbericht zum F+E Vorhaben „Identifizierung von Fledermauswanderrouten und -korridoren“ (FKZ 3512 86 0200). BfN-Skripten 453 : 238. Abgerufen am 02.03.2021.