Bechsteinfledermaus

Bechsteinfledermaus

Myotis (Myotis) bechsteinii (Kuhl, 1817)

Allgemein Bilder (11) Autoren und Quellen

Beschreibung

Die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) gehört zur Gattung der Mausohren. Sie ist 4,5–5,5 cm groß (Flügelspannweite: 25–29 cm). Ihre Oberseite ist braun bis rötlichbraun, der Bauch ist weißlich bis grau gefärbt (UM BW und LUBW 2016). Die Flügel sind kurz und breit und zum Navigieren auf engstem Raum geeignet. Auffallend sind die langen und breiten Ohren, mit welchen sie ihre Beute anhand ihrer Krabbelgeräusche orten kann. Bei uns ist die Bechsteinfledermaus die am stärksten an Wälder gebundene Fledermausart. Sie bewohnt überwiegend naturnahe feuchte Laub- und Laubmischwälder, in Baden Württemberg vor allem alte Eichenwälder (Steck und Brinkmann 2015, Braun und Dieterlen 2003).

Vorkommen in Baden-Württemberg

Mit Ausnahme der Donau-Iller-Lech-Platte wurde die Bechsteinfledermaus bisher in allen Naturräumen Baden Württembergs erfasst. Sie kommt in den wärmeren Gebieten bis in Höhenlagen von 550 m vor und hat ihren Verbreitungsschwerpunkt am Oberrhein und im Odenwald (UM BW und LUBW 2016).

Die Bechsteinfledermaus nutzt dabei bevorzugt zusammenhängende, naturnahe Waldgebiete mit einem nennenswerten Anteil an strukturreichen Laubbaumbeständen mit Baumhöhlen (FVA 2020).

Lebensraum

Die Bechsteinfledermaus nutzt bevorzugt zusammenhängende, naturnahe Waldgebiete mit einem nennenswerten Anteil an strukturreichen Laubbaumbeständen mit Baumhöhlen (FVA 2020).

Quartierzentren befinden sich in Baden-Württemberg in altholzreichen Wäldern mit überwiegend geschlossenem Kronendach. Wälder mit guten Quartierbedingungen sind in aller Regel auch als Jagdhabitate positiv zu bewerten. Alternativ zum Ideallebensraum "geschlossener Altholzbestand" dienen lichte Wälder und Streuobstwiesen, in seltenen Fällen auch Nadelwälder. Für die Nahrungssuche werden zudem gerne laubholzreiche und gut strukturierte Waldränder aufgesucht (Steck und Brinkmann 2015).

Nahrungshabitat

  • Beute wird von belaubten Zweigen, Stämmen und vom Boden abgesammelt.
  • Unzerschnittene, mehrschichtige und v.a. geschlossene Laubwälder mit ihren Innen- und Außensäumen dienen als Jagdhabitat. Jagdgebiete sind pro Einzeltier 1 - 30 ha groß.
  • Waldränder, Hecken etc. als Leitstrukturen dienen zur Orientierung beim Flug ins Jagdhabitat (FVA 2020).

Quartiernutzung

  • Spechthöhlen, vereinzelt auch Bäume mit Stammrissen etc. dienen als Sommerquartier.
  • Ein Wochenstubenverbund benötigt 50 und mehr Quartiere.
  • Kolonien finden sich häufig in wärmebegünstigten Beständen.
  • Überwinterung in unterirdischen Stollen, Kellern oder Naturhöhlen (FVA 2020).

Lebensweise

  • Kann bis ca. 20 Jahre alt werden, folglich ist Kontinuität im Hinblick auf den Lebensraum und dessen Qualität wichtig (Meschede und Heller 2000, Dietz 2010).
  • Ortet leise und deshalb nur auf kurze Entfernung, braucht folglich Leitstrukturen (Waldränder, Hecken usw.) für Orientierung bei Transferflügen (Steck und Brinkmann 2015).
  • Quartiertreue Art mit enger Bindung an den Wald (und angrenzende Parks oder Streuobstwiesen) (FVA 2020).
  • Häufiger Quartierwechsel (alle 2-3 Tage) innerhalb eines engen räumlichen Verbunds (≥5ha), sommerlicher Aktionsraum eines Wochenstubenverbunds bis zu 300 ha Wald (FVA 2020).
  • Jagdgebiete befinden sich 1-3,5 km um Wochenstuben herum (FVA 2020); bei fragmentiertem Lebensraum mehr als 1,5 km (Steck und Brinkmann 2015).
  • Sehr ortstreu, meist nur wenige km zwischen Sommer- und Winterquartier (Dietz und Kiefer 2014), max. 35 km zwischen Sommer- und Winterquartier (FVA 2020).
  • Jagdflüge vegetationsnah im Baumkronenraum des Waldinneren und entlang von Hecken und Waldrändern (Steck und Brinkmann, 2015, Meschede und Heller 2000).
  • Absammeln eines wechselnden, oft flugunfähigen Beutespektrums von belaubten Zweigen, Rinde und vom Boden (Steck und Brinkmann 2015, Meschede und Heller 2000).
  • Aktive und passive Ortung von Beutetieren möglich (Steck und Brinkmann, Braun und Dieterlen 2003).
  • Wochenstubenzeit: April bis August; Jungenaufzucht ab Juni (FVA 2020)

Empfohlene Schutz- und Fördermaßnahmen

Von welchen Forstbetriebsarbeiten profitiert die Art?

  • Naturnahe Waldbewirtschaftung mit ausreichend vielen Althölzern, insbesondere auch Förderung des Laubholzes, v. a. der Eiche.
  • Umsetzung eines Habitatbaumkonzeptes wie z.B. des Alt- und Totholz-Konzeptes von ForstBW. Integration bekannter (Einzel-)Quartiere in Habitatbaumgruppen und von Wochenstubenkolonien in Waldrefugien.
  • Erhöhung des Anteils alter Wälder (z.B. Strecken von Altholzvorräten, Erhöhung der Produktionszeit) (FVA 2020).

Spezielle Pflegemaßnahmen

  • Ausweisen von Prozessschutzflächen (FVA 2020) in geeigneten Lebensräumen z.B. von Waldrefugien im Bereich von Wochenstubenzentren mit mindestens 50 Quartierbäumen auf ≥5 ha Fläche, dort einen Kronenschlussgrad von ≥80% sowie einen mindestens 2-stufigen Bestandesaufbau anstreben. Außerhalb der Quartierzentren: Habitatbaumgruppen und einzelne Habitatbäume mit ≥ 5 Quartieren/ha, insgesamt mindestens 100 Höhlenbäume notwendig (Steck und Brinkmann 2015).
  • Dauerhaftes Belassen und Markieren der Quartierbäume (FVA 2020).
  • Belassen und Markieren von Quartierbaumanwärtern (z.B. potentielle Spechthöhlenbäume, Bäume mit Faulstellen) (FVA 2020).
  • Förderung stufiger Waldinnen- und -außensäume (FVA 2020).
  • besonderer Schutz von Alteichen und deren Beständen, dort nur vorsichtige Lichtungshiebe (Dietz et al. 2013).
  • Eichenverjüngung: auf sich natürlich bildenden Lichtschächten und Sturmwurfflächen, evtl. durch Pflanzung; bei ausgedehnten Beständen über kleine Femelschläge möglich (Dietz et al. 2013).
  • Buchenverjüngung: über kleine Femelschläge, keine Schirmschläge (Dietz et al. 2013).

Welche Forstbetriebsarbeiten können erhebliche Beeinträchtigungen darstellen?

  • Starke Hiebseingriffe im Umfeld bekannter Wochenstuben bzw. Kolonien (FVA 2020).
  • Holzernte während der Wochenstubenzeit (von ca. April - August (Dietz et al. 2013)) im Bereich von Wochenstuben (lärmempfindliche Art) (FVA 2020).
  • Entnahme von Überhältern, Habitatbäumen (v.a. mit Höhlen) sowie von stehendem Totholz (FVA 2020).
  • Kahlschlag, Räumung oder starke Absenkung des Altbaumreservoirs z.B. im Rahmen von Zielstärkennutzung (FVA 2020).
  • Umbau strukturreicher, naturnaher Laubwälder zu Nadelwald (FVA 2020).
  • Einsatz von Insektiziden im Rahmen von Polterschutzspritzungen (FVA 2020).

Landesweite Erhaltungsziele mit Waldbezug

  • Erhaltung von strukturreichen Laub- und Laubmischwäldern mit Waldinnen- und -außenrändern, gewässerbegleitenden Gehölzbeständen und großflächigen Streuobstwiesen
  • Erhaltung einer nachhaltigen Ausstattung der Lebensräume mit geeigneten Habitatbäumen, insbesondere mit Höhlen und Spalten als Wochenstuben-, Sommer- und Zwischenquartiere einschließlich einer hohen Anzahl an Wechselquartieren für Wochenstubenverbände, auch im Hinblick auf die Einflugsituation
  • Erhaltung von geeigneten, störungsfreien oder störungsarmen Höhlen, Stollen, Kellern, Gebäuden und anderen Bauwerken als Winter- und Schwärmquartiere, auch im Hinblick auf die Einflugsituation
  • Erhaltung eines ausreichenden und dauerhaft verfügbaren Nahrungsangebots, insbesondere nachtaktive Insekten und Spinnentiere im Wald und in den Streuobstwiesen
  • Erhaltung des räumlichen Verbunds von Quartieren und Jagdhabitaten ohne Gefahrenquellen sowie von funktionsfähigen Flugrouten entlang von Leitlinien.“ (FVA 2020)

Erkennungsmerkmale

Wegen ihrer großen Ohren kann die Bechsteinfledermaus mit den Langohrfledermäusen verwechselt werden. Diese besitzen noch größere Ohren, welche an der Basis aneinanderstoßen, wärend die Bechsteinfledermaus eine Lücke zwischen den Ohren aufweist.

Resümee

Klimaxart. Die Bechsteinfledermaus ist die am stärksten auf den Wald fokussierte heimische Fledermausart. Dies ist bei Umsetzung eines Habitatbaumkonzeptes zu beachten: Waldrefugien werden räumlich (Bezug Wochenstubenverbund) und umfänglich (Orientierungswert ≥50 Quartierbäume konzentriert auf mehrere Hektar Fläche) auf bestehende Vorkommen abgestimmt. Außerhalb dieser Kolonien sind 5 Quartierbäume pro Hektar ein Leitwert, der mit Habitatbaumgruppen und einzelnen Habitatbäumen erfüllt werden kann. In FFH-Gebieten ist der jeweilige Managementplan zu beachten (FVA 2020).

Weitere Informationen

  • Im Portrait - die Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie: https://pudi.lubw.de/publikationen
  • http://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/saeugetiere/kurzbeschreibung/6511
  • BfN Anhang-IVArten: Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)
  • Dietz, M. (2010): Fledermäuse als Leit- und Zielarten für Naturwald orientierte Waldbaukonzepte
  • Steck, C & R. Brinkmann (2015): Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten in Baden-Württemberg. 200 S. Verlag Haupt: Bern
Verbreitung
Keine vollständige Verbreitung aufgrund lückenhafter Datenbasis
Systematik
Stamm
Chordata
Familie
Vespertilionidae
Gattung
Myotis
Art
Myotis (Myotis) bechsteinii (Kuhl, 1817)
Artengruppe
Säugetiere
Typ
Waldzielart Natura 2000
Lebensraum
  • Wuchsgebiete
    • Baar-Wutach
    • Neckarland
    • Oberrheinisches Tiefland
    • Odenwald
    • Schwäbische Alb
    • Schwarzwald
    • Südwestdeutsches Alpenvorland
  • Waldtypen
    • Auwälder / Bruchwälder
    • Buchenmischwälder
    • Trockenwälder
  • Habitatstrukturen
    • Alte Bäume / Habitatbäume (lebend)
    • Höhlen / Stollen / Bunker
    • Totholz
Fachkonzept
  • AuT-Konzept
  • Bannwaldprogramm
Schutzstatus
  • Priorität:
    mittel
  • Rote Liste BW:
    Stark gefährdet (2)
  • Rote Liste DE:
    Stark gefährdet (2)
  • Bundesnaturschutzgesetz:
    4
  • Verantwortungsart BW:
    ja
  • Natura 2000 / Vogelschutzrichtlinie:
    • Anhang II
    • Anhang IV

Autoren

  • Liegl, Gerhild
  • Schürmann, Lara

Bildautoren

  • Ballenthien, Bernd
  • Ballenthien, Elena
  • Echle, Klaus
  • Klee, Danny
  • Parc naturel régional des Vosges du Nord

Quellen

Braun, M. & Dieterlen, F. 2003
Die Säugetiere Baden-Württembergs: Allgemeiner Teil, Fledermäuse (Chiroptera).
Dietz, C. & Kiefer, A. 2014
Die Fledermäuse Europas: kennen, bestimmen, schützen.
Dietz, M. 2010
Fledermäuse als Leit-und Zielarten für Naturwald orientierte Waldbaukonzepte. Forstarchiv 81 : 69-75.
FVA (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg) 2020
Praxishilfe Bechsteinfledermaus.
Meschede, A., Heller, K., & Leitl, R. 2000
Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern: unter besonderer Berücksichtigung wandernder Arten: Teil I des Abschlussberichtes zum Forschungs-und Entwicklungsvorhaben" Untersuchungen und Empfehlungen zur Erhaltung der Fledermäuse in Wäldern".
Steck, C. & Brinkmann, R. 2015
Wimperfledermaus, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus. Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten..
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